Möglicherweise hat „Lara“ auf meine Fragen betroffen oder mit verärgerter Schnappatmung reagiert. – Manchmal schadet eine freundliche Provokation nichts, um ein gut geöltes Hamsterrad einen Moment lang anzuhalten.
Ich halte das Festhalten an der Überzeugung, man sei nicht gut genug, um geliebt zu werden letztendlich für eine ungesunde Gewohnheit. Wahrscheinlich sind wir ein Leben lang damit beschäftigt, diese Gewohnheit aufzugeben und zu lernen uns selbst immer tiefer und umfassender zu lieben.
Wenn du dich selbst annehmen und achten kannst, bist du nicht länger auf die Bestätigung deiner Umwelt angewiesen. Dann kannst du Zuneigung mit Freude als Bereicherung genießen!
Verachtest du dich hingegen, brauchst du jemand anderen (am besten ganz viele andere), die mit ihrer Anerkennung deinen Mangel an Liebe auffüllen. Auf der Jagd nach dieser Anerkennung, der Bestätigung, dass du lebens- und liebenswert bist, läufst du Gefahr, dich über deine Grenzen hinaus anzupassen und deine Werte zu verraten. Meine „Laras“ bleiben allesamt hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil sie mehr damit beschäftigt sind, zu erraten, wie ihre Mitmenschen sie haben wollen und die Erwartungen zu erfüllen (oder gegen die Erwartungen zu rebellieren) anstatt herauszufinden, wer sie sind, was sie individuell ausmacht und wie sie leben wollen.
Dabei ist immer Angst der Antrieb. Angst, dass es bei aller Anpassung nicht reicht, um gemocht zu werden. Wenn du jemanden gefunden hast, der dich liebt, sitzt dir die Verlustangst als ständiger Begleiter im Nacken.
Meine Strategie mit meinem Glauben an meine Minderwertigkeit umzugehen, war früher, in die Arroganz zu flüchten, mich nicht kleiner zu machen, sondern mich über die anderen zu stellen. Anstatt mich anzupassen und so zu sein, wie andere mich haben wollten, war ich in meiner Teenagerzeit trotzig dagegen und aus Prinzip anders. „Ihr lehnt mich ab?! Mir doch egal! Ihr seid mir eh zu blöd, wer will schon zu euch gehören?!“ Dabei habe ich unhinterfragt unterstellt, dass ich nicht gut / hübsch / cool genug bin, um dazuzugehören. Arroganz und Überheblichkeit eignen sich hervorragend, um sich vom eigenen Schmerz zu distanzieren. Führt nur leider auch nicht gerade zu einem Gefühl von Geborgenheit und Verbindung.
Wie oft lässt du Sachen, die du gerne machen würdest, unversucht, aus Angst, ausgelacht, abgelehnt und verurteilt zu werden? Wie oft kannst du Zuneigung nicht annehmen, weil du überzeugt bist, sie kann nicht echt sein? Und wie oft haust du dir gedanklich selbst eine rein, weil du mal wieder glaubst, du solltest besser, schlanker, klüger, fleißiger, geduldiger, liebevoller, etc. sein?
Wenn du glaubst, du bist nicht gut genug, bist du ein Sklave deines eigenen Glaubens. „Ich bin nicht gut genug“ ist nur ein Gedanke, eine Meinung, eine Interpretation. Eine These…
Woher kommt das, dass so viele Menschen an diesen Gedanken glauben?
Spontan fallen mir da ein paar Punkte ein:
- Wir haben alle Situationen erlebt, in denen Liebe und Anerkennung an Bedingungen geknüpft waren. Diese Erfahrungen hat unser Verstand zum Gesetz erhoben („War so, ist so, bleibt so.“).
- Der Glaube an die eigene Minderwertigkeit ist seit Generationen (und Inkarnationen) im Zellgedächtnis verankert, da auch unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern selten bedingungslose Liebe erfahren haben. Wir kennen es nicht anders und kommen gar nicht auf die Idee, dass Selbstliebe (ohne Arroganz) möglich ist.
- Wir sind umgeben von einem ständigen, unerfüllbaren gesellschaftlichen Leistungsdruck. Daran gemessen, kann man nur verlieren.
- Eltern erklären ihren Kindern die Welt und geben ihnen die Lebensweisheiten mit, an die sie selbst glauben. Im Prinzip müsste jeder Jugendliche mit der Aufgabe ins Erwachsenenleben entlassen werden, jetzt selbstständig zu hinterfragen, was seine Eltern ihm vermittelt haben. Uns fehlen Rituale, die Jugendlichen die Erlaubnis (und die Methoden) geben, unabhängig zu denken und ihre eigene Wahrheit zu finden. So wiederholen sich viele Erwachsene immer noch unbewusst dieselben Aussagen, die sie als Kind zu hören bekamen.
- Das Wissen um die Macht der eigenen Gedanken ist (noch) kein Allgemeinwissen. Solange du den Gedanken glaubst, dass du nichts wert bist, sendest du diese Resonanz aus und ziehst Situationen magnetisch an, die dir genau das bestätigen, entweder, indem du tatsächlich abgelehnt wirst oder indem du die Anerkennung nicht siehst / annehmen kannst.
- Wir versuchen, die Frage nach dem eigenen Wert nur mit dem Verstand zu erfassen, statt auf unser Herz zu hören. Dein Verstand kann problemlos eine lange Liste an Argumenten dafür liefern, dass du (noch) nicht gut genug bist. Er kann dir aber auch Argumente dafür nennen, dass du deinen Selbstwert weder verdienen noch verlieren kannst. Wenn du ruhig wirst, entspannt atmest, den Boden unter deinen Füßen spürst und deine Aufmerksamkeit nach innen lenkst, wirst du mit ein bisschen Übung die Wahrheit in deinem Herz finden.
Gott sei Dank bist du nicht deine Gedanken, sonder der, der sie denkt. Und du hast die große Freiheit, selbst zu entscheiden, ob du deine Gedanken für wahr halten und glauben willst!
Zur Gedankenüberprüfung gibt es eine hervorragende Methode von der großartigen Byron Katie: „the Work“. Das erkläre ich dir an einem Beispiel im nächsten Beitrag.
Für heute teile ich mit dir folgende Fragen:
Bist du bereit, den Glauben an deine angebliche Minderwertigkeit aufzugeben? Welche Konsequenzen hätte das für dich? Welche für dein Umfeld?
Vielen Dank für die “ich sollte (bla bla bla) Erinnerung 😉 , hatte ich erst heute früh mit meinem trotzig schreienden Kind, wo ich mir dachte “Oh man ich sollte echt geduldiger und liebevoller sein“ bla bla bla… 🙂
Daaaanke, die Erinnerung kam wieder zum richtigen Moment 🙂 <3