Seit den Anschlägen  in Paris ist eine Woche vergangen. Wir haben seit 10 Jahren keinen Fernsehanschluss mehr, Radio höre ich nur ab und zu im Auto und Tageszeitungen lesen wir auch nicht. Ich informiere mich im Internet. Das heißt, unsere Kinder hören und sehen keine Nachrichten.

Es ist nicht so, dass wir unseren Kids vorgaukeln wollen, es gäbe keine Kriege, Kämpfe, Wirtschaftskrisen usw. Mir gefällt nur die einseitige Art der Berichterstattung nicht, die in der Regel Katastrophen ausruft, nach Schuldigen sucht, schwarz-weiß in böse Täter und arme Opfer unterteilt und damit vor allem Ängste und Ohnmacht schürt.

Es gibt täglich unzählige Situationen, in denen sich Menschen liebevoll und friedlich begegnen, über alle Vorurteile und Verletzungen hinweg mutig aufeinander zugehen, neue Wege beschreiten und sich trotz Angst für die Liebe entscheiden. Fehlt diese Seite in den Nachrichten, erscheint unsere Welt hauptsächlich gefährlich und düster. Ich möchte, dass unsere Kinder von Anfang an lernen, dass es sinnvoll ist, eine Sache von mehreren Seiten zu betrachten und die Hintergründe zu verstehen.

Natürlich bekommen die Kids in der Schule mit, was gerade los ist und worüber sich die Erwachsenen Sorgen machen. Einer unserer Jungs, der seit Herbst in die erste Klasse geht, hat gestern Abend zu mir gesagt, ich dürfe das Rollo nicht runtermachen, weil wir sonst nicht sehen könnten, wenn ein Flugzeug kommt, um Bomben abzuwerfen. Als ich gefragt habe, wer kommen und eine Bombe abwerfen sollte, antwortete er „Na die Bösen.“. Das hat sein Freund L. gesagt (L. steht hoch im Kurs und hat prinzipiell Recht. Was ich eher selten genauso sehe).

Kinderfrage 1: Wer sind die Bösen?

Wir haben darüber gesprochen, ob es „die Bösen“ gibt – Menschen, die andere absichtlich verletzen, demütigen oder töten, die vor Wut und Hass kein Mitgefühl empfinden. Natürlich gibt es Menschen, die anderen gezielt schaden wollen. Sie „die Bösen“ zu nennen und es dabei zu belassen, finde ich zu leicht und zu kurzsichtig. Diese Menschen wurden nicht als böse Babys geboren. Sie können ihren eigenen Schmerz in Form von Angst, Verzweiflung, Aussichtslosigkeit, Trauer, Ohnmacht, Scham etc. nicht aushalten und richten ihn stattdessen gegen andere (Ignoranz, Verachtung, Gewalt, Fanatismus, Zerstörung).

Was heißt das in der Welt eines Erstklässlers? Zunächst einmal, dass er nicht böse ist, wenn er mal Angst hat oder wütend wird. Und dass auch seine Schulkameraden nicht böse sind, wenn sie aus Hilflosigkeit oder Frust anfangen, einander zu ärgern. Es heißt auch, dass es wichtig ist, dass sie lernen mit ihren Gefühlen gesund umzugehen ohne sie gegen andere zu richten, Sachen kaputt zu machen oder anderen weh zu tun. Wir haben dann darüber gesprochen, was man machen kann, wenn man wütend, traurig oder ängstlich ist. Für mich fängt da Frieden an.

Ich habe unseren Sohn gefragt, ob er Angst hat bei der Vorstellung, dass jemand Bomben abwirft. Er antwortete „Ich weiß nicht. Ich glaube schon, denn dann sterbe ich. Und wenn ich sterbe, kann ich nicht mehr leben.“ (Hat ihm auch sein Freund erzählt.).

Kinderfrage 2: Was kommt nach dem Tod?

Was soll ich einem 6jährigen darauf antworten? Ich für mich habe dazu ein vollkommen klares Gefühl, eine Erinnerung an davor und danach, die ich nicht in Worte fassen kann. Ich fühle mich in dieser Erinnerung geborgen und völlig angstfrei. Über Worte schwer zu vermitteln! Zum Glück ist in der Schule gerade das Thema Wetter dran, so dass unser Sohn sich bestens mit den Aggregatzuständen von Wasser auskennt. Nichts in der Welt geht verloren. Energie kann ihre Form ändern, aber niemals verschwinden. Wasser ist flüssig, kann zu Eis frieren oder verdampfen, aber es ist nie weg. Wenn Holz verbrannt wird, sieht man kein Holz mehr, aber Asche und Wärme bleiben. Und wenn wir sterben, verändern wir unsere Form, aber „weg“ werden auch wir nicht sein.  Er war damit zufrieden. Vielleicht erinnert er sich ja doch noch. Mit knapp 3 Jahren hatte er mal zu einer Freundin gesagt „Bevor ich geboren wurde, konnte ich fliegen. Jetzt kann ich leider nicht mehr fliegen, jetzt bin ich ein Junge. Ein guter Junge.“.

Damit war das Thema für´s Erste erledigt und ich durfte das Rollo runtermachen. Ich bin gespannt, wie das weiter geht!

 

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